Zahlreiche offene Stellen warten in der Schweiz auf qualifizierte Arbeitskräfte – doch warum ist es so schwierig, diese Vakanzen zu füllen? Wir haben den Schweizer Arbeitsmarkt genau unter die Lupe genommen und die offenen Stellen nach Branchen, Schwierigkeiten bei der Stellensuche und mehr analysiert.
Der Arbeitsmarkt in der Schweiz
Die Schweiz glänzt mit einem imposanten und facettenreichen Arbeitsmarkt: Von Tourismus und Landwirtschaft bis hin zur Hightech-Industrie und Informationstechnologie. Dabei ist aber nicht nur die Auswahl beeindruckend, sondern auch die Grösse des Bereichs: Von den knapp unter 9 Millionen Eidgenossen waren zuletzt 5,4 Millionen Personen in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt.
Die Arbeitslosigkeit ist mit 2,4 Prozent im internationalen Vergleich recht niedrig. Probleme entstehen kaum durch einen Mangel an offenen Stellen, denn hier zeigten sich zweistellige Wachstumsraten in den letzten Jahren. Eher im Gegenteil durch fehlendes Personal. Insbesondere bei den Fachkräften sind die Aussichten für viele Unternehmen weiterhin negativ und verschlechtern sich sogar noch.
40 Prozent der Firmen geben an, heute mehr Schwierigkeiten als noch im Vorjahr zu haben, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Bei der Frage, in welchen Branchen der Fachkräftemangel in der Schweiz besonders ausgeprägt ist, stechen vor allem die Unternehmen, die IT-Geräte und Uhren herstellen, hervor: Hier verschlechterte sich die Situation sogar für 63 Prozent der befragten Betriebe.
Internationaler Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel ist aber keineswegs ein ausschliesslich Schweizer Problem, sondern betrifft fast ganz Europa und viele weitere Industrienationen. Er sollte auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schweizer Wirtschaft insgesamt eine sehr gute Figur macht. Wachstum und Prognosen sind weitgehend positiv, was sich auch in der Anzahl offener Stellen zeigt.
Das liegt auch an der engen Bindung der Schweiz an die Nachbarländer und den Weltmarkt. Schweizer Waren und Güter sind weltweit beliebt und erfreuen sich einer hohen Nachfrage. Gleichzeitig findet eine hohe Anzahl an Fachkräften aus dem Ausland ihren Weg zu uns. Sie profitieren von den hohen Löhnen und der guten Verkehrsanbindung, die auch ein Pendeln erlaubt.
Das macht die Schweiz zu einem ausgezeichneten Wirtschaftsstandort und sorgt für einen interessanten Arbeitsmarkt mit vielen offenen Stellen. Trotz gelegentlicher Schwierigkeiten zeigte sich die Entwicklung dabei meist erstaunlich resilient!
Offene Stellen: Eine Übersicht
In welchen Berufen gibt es die meisten offenen Stellen? Die Antwort auf diese Frage ist für nahezu alle Industrienationen gleich – die Schweiz ist dabei keine Ausnahme.
Wir haben die zehn Bereiche mit der höchsten Anzahl an offenen Stellen zusammengetragen. Die Zahlen schwanken dabei regelmässig und werden von Faktoren wie der Saison und der Wirtschaftslage beeinflusst. Insgesamt bleibt die Reihenfolge aber weitgehend gleich:
Gesundheitswesen
Nirgendwo gibt es mehr offene Stellen als in der Medizin, Pflege und Co. Das Gesundheitswesen war zuletzt auf der Suche nach rund 16.000 zusätzlichen Arbeitskräften.
Baugewerbe
Die Bauindustrie ist ein stark saisonales Gewerbe; seit längerem ist die Anzahl der offenen Stellen aber ganzjährig hoch: Etwa 13.500 Vakanzen gibt es hier zu verzeichnen.
Detailhandel
Auch im Detailhandel ist es schwer, alle Positionen zu besetzen. Rund 13.000 Vakanzen melden die Unternehmen dort.
Gastronomie und Hotellerie
Das Gastgewerbe hat mit dem Ende der COVID-Pandemie wieder ein starkes Wachstum erlebt. Dieses setzt sich bis heute fort und führt zu aktuell 10.500 offenen Stellen in der Schweiz.
Informatik
Wie viele andere Bereiche leidet die Informatik unter dem Fachkräftemangel. Er führt zu einer (im Vergleich zur Grösse des Sektors) hohen Anzahl an Vakanzen: 9.000 Jobs sind hier zu vergeben.
Sozialwesen
Im sozialen Bereich finden sich zur Zeit 7.700 unbesetzte Stellen. Das erzeugt nicht nur bei den Unternehmen Probleme, sondern auch bei den Menschen, die auf die Hilfe dieser Berufe angewiesen sind.
Elektro- und Medizinaltechnik, Optik
Im Hightech-Bereich rund um Optik, Medizin- und Elektrotechnik finden sich derzeit fast 7.000 Vakanzen.
Öffentliche Verwaltung
Zahlreiche Positionen in der öffentlichen Verwaltung – egal auf welcher Ebene – blieben zuletzt unbesetzt. Rund 6.500 freie Positionen gibt es hier zu verzeichnen.
Architektur und Planung
In der Schweiz herrscht seit langem eine grosse Nachfrage nach Architekten und anderen Berufen rund um Entwurf, Planung und Vermessung. Das zeigt sich auch an den 6.500 Vakanzen des Bereichs.
Bildung
Mit rund 6.200 Positionen schafft es der Bildungssektor noch knapp in unsere Liste der offenen Stellen nach Branche.
Herausforderungen bei der Stellensuche
Man könnte annehmen, es sei sehr leicht, in der Schweiz eine Anstellung zu finden. Immerhin gibt es zahlreiche Vakanzen in verschiedenen Branchen! Doch ganz so einfach ist es nicht: Arbeitssuchende sehen sich mit einer ganzen Reihe von Problemen konfrontiert!
Der Arbeitsmarkt macht es vor allem älteren Arbeitnehmern nicht immer einfach. Verlieren sie ihren Job, dauert es – statistisch betrachtet – deutlich länger, bis sie eine passende Position finden. Zudem müssen sie dabei oft Kompromisse eingehen und eine schlechtere Entlohnung oder geringere Pensionsansprüche akzeptieren.
Inklusion auf dem Arbeitsmarkt
Doch auch die jüngeren Menschen müssen Schwierigkeiten überwinden: Vor allem Personen mit Migrationshintergrund haben oft erhebliche Probleme bei der Jobsuche. Auch wenn sie mit hoher Qualifikation aufwarten können, bleiben ihnen die freien Positionen in vielen Fällen verwehrt. Studien zeigen, dass schon ein ausländisch klingender Name die Chancen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt reduzieren kann.
Die Diskriminierung ausländischer Arbeitskräfte ist dabei von Branche zu Branche sehr unterschiedlich. Besonders das Gesundheitswesen zeigt sich hier vorbildlich und stellt weitgehend unabhängig der Herkunft einer Person ein. Im Detailhandel hingegen spielt die Herkunft eine sehr wichtige Rolle und kann zu erheblichen Problemen führen.
Selbst Arbeitnehmer aus unseren Nachbarländern Deutschland und Frankreich müssen länger suchen: Sie schreiben durchschnittlich 20 bis 40 Prozent (je nachdem, ob deutsch- oder französischsprachige Schweiz) mehr Bewerbungen, bevor sie eine Zusage erhalten.
Zudem erschweren Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und rechtliche Rahmenbedingungen oft die Zuwanderung und Inklusion in den Arbeitsmarkt. Trotz Fachkräftemangel ist es in der Praxis für betroffene Unternehmen oft schwer, ausländische Arbeitskräfte einzustellen.
Die Schweizer erleben ausserdem ein Phänomen, das auch andere Industrienationen beobachten: Es fällt immer schwerer, eine neue Stelle zu finden oder gar die Branche zu wechseln! Die Gründe dafür sind zahlreich und umfassen zum Beispiel die steigenden Anforderungen in den meisten Sektoren.
Durch die fortschreitende Digitalisierung verändern sich die gesuchten Qualifikationen und Erfahrungen. Selbst mit ständiger Weiterbildung haben viele Arbeitnehmer heute das Gefühl, für offene Stellen nicht mehr geeignet zu sein. Eine steigende Anzahl an “unattraktiven”, befristeten oder schlechter bezahlten Vakanzen trägt zu diesem Eindruck bei.
Entgegenwirkende Massnahmen
Die Schweiz lockt mit einem leistungsstarken Arbeitsmarkt und zahlreichen Vakanzen, die oft nur schwer zu füllen sind! Gegenmassnahmen für die schwerwiegendsten Probleme existieren zwar, benötigen aber oft sehr viel Zeit, bevor sie Wirkung zeigen.
So arbeitet zum Beispiel der Schweizer Hotelverband intensiv daran, den Bereich Gastronomie und Hotellerie attraktiver zu gestalten. Die vielen unbesetzten Positionen sind häufig den schwierigen Arbeitszeiten geschuldet. Auch Entlohnung und das Verhalten der Vorgesetzten gilt in diesem Sektor oft als problematisch. Mit gezielten Schulungen und moderne Arbeits- und Anstellungsmodellen möchte man hier ansetzen.
Andere Bereich sind ebenfalls aktiv: Die IT-Branche, die wie kaum ein anderer Sektor vom Fachkräftemangel betroffen ist, möchte die Berufe vor allem für Frauen attraktiver machen. Sie finden nach wie vor selten ihren Weg in den von Männern beherrschten Bereich. Die Massnahmen zielen dabei ebenfalls auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ab. Felder wie Maschinenbau, Elektrotechnik und andere “Männerdomänen” verfolgen ähnliche Pläne.
Ob, wann und wie stark solche Kampagnen Wirkung zeigen, bleibt fraglich. Der Fachkräftemangel ist kein isoliertes Schweizer Problem, sondern zeigt sich in ganz Europa und der westlichen Welt. Um die begehrten Experten anzulocken, müssen sowohl die Rahmenbedingungen als auch die Unternehmen selbst attraktiver werden.
Für viele Firmen ist dies der erste Ansatzpunkt: Einladende Arbeitszeitmodelle, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Eingliederung von ausländischen Fachkräften scheinen die beste Möglichkeit zu sein, offene Stellen zu besetzen.